Herausforderung häusliche Pflege - Ohne Liebe geht es nicht
Die Pflege eines Angehörigen fordert die ganze Familie. Hilfe bekommen pflegende Angehörige von den SVLFG-Pflegeberaterinnen und Pflegeberatern. Wie gut das funktioniert, zeigt das Beispiel der Familie Winter.
„Die Demenz meiner Schwiegermutter kam schleichend“, erzählt Maria Winter. Lange wollte es niemand wahrhaben, dass die von allen geliebte Oma mehr und mehr abbaute. Vor allem Schwiegervater Josef konnte es kaum verkraften, dass seine Frau immer mehr in der Vergangenheit lebte und zurückfiel in eine kindheitsähnliche Lebenswelt. In dem Maß, in dem sich Rosa Winter veränderte, wuchs der Pflegebedarf. Die Hauptlast trug über Jahre Schwiegertochter Maria. „Wir sind schon immer zusammen einkaufen gefahren, hatten zusammen gekocht und gegessen. Irgendwann war es so, dass ich für die Schwiegereltern mit putzen, die Wäsche mit waschen musste“, erzählt die Schwiegertochter. „Als abzusehen war, dass der Pflegebedarf weiterwachsen würde, haben wir uns für eine Pflegeberatung durch die Landwirtschaftliche Pflegekasse entschieden.“
Pflegeberaterin als Lotse
„Frau Waack, die zuständige Pflegeberaterin der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau, hat uns sehr geholfen. Sie war für uns da, wenn wir sie brauchten und hat uns auch zuhause besucht. Dafür sind wir ihr sehr dankbar“, sagt Sohn Hans Winter. „Wir haben besprochen, was meine Mutter benötigt, damit sie gut versorgt ist und was wir als pflegende Angehörige brauchen, damit wir diese Aufgabe gut erfüllen können“, erinnert er sich. „Frau Waack hat uns beim Antrag auf Feststellung der Pflegebedürftigkeit unterstützt und sie erklärte uns, welche Leistungen uns zustanden. Außerdem hatte sie auch einen guten Überblick über die Tagespflegeeinrichtungen in der Nähe, sodass wir ein Haus aussuchen konnten, das für meine Mutter und später auch für meinen Vater gepasst hat.“
Barrierefrei wohnen
Wichtig war der barrierefreie Ausbau des Badezimmers. „Die SVLFG-Pflegeberaterin hat uns geraten, für den notwendigen Umbau einen Zuschuss zu beantragen. So haben wir die Kosten von der Pflegekasse teilweise ersetzt bekommen“, erzählt Hans Winter. Der Eingang in die Altenteilerwohnung war zum Glück bereits barrierefrei. Vor allem, als später auch Josef Winter pflegebedürftig wurde und im Rollstuhl saß, lernte Familie Winter die Barrierefreiheit schätzen. „Mit einem Rollstuhl wird jede einzelne Stufe zum Problem“, weiß Maria Winter.
Pflegekurs mitmachen
Die Teilnahme an einem Pflegekurs war für Maria Winter sehr hilfreich. „Dort habe ich zum Beispiel bestimmte Handgriffe und Bewegungsabläufe gelernt, wie man eine bettlägerige Person so im Bett bewegt, dass es weder für sie noch für mich zur körperlichen Belastung wird.“ Je nach Anforderung kann die Pflegeperson zwischen einem Gruppenkurs oder einer individuellen Schulung durch eine Pflegekraft im häuslichen Umfeld des Pflegebedürftigen wählen. Damit die Landwirtschaftliche Pflegekasse (LPK) die Kosten übernehmen kann, muss vor Beginn des Kurses ein Kostenvoranschlag des Anbieters. eingereicht werden.
Pflegedienst hilft
„Wir engagierten einen Pflegedienst, der zweimal täglich zur Körperpflege kam.“ Das war eine echte Erleichterung für Maria Winter. Die Körperpflege eines alten Menschen ist für den Laien eine Herausforderung. Zum einen, weil es sich um einen Eingriff in die Intimsphäre handelt, zum anderen aber auch, weil gebrechliche Menschen leicht ausrutschen und stürzen. „Ich habe selber eine Knieoperation hinter mir. Eine andere Person auf einem nassen, seifigen Untergrund aufzuheben, ist für mich fast nicht möglich“, ergänzt Maria Winter. „Außerdem hat uns Frau Waack über die Möglichkeiten der Tagespflege und der Kurzzeitpflege aufgeklärt und uns zur Teilnahme an einer Trainings- und Erholungswoche der LPK geraten. Ein Angebot, das jeder Betroffene unbedingt nutzen sollte“, so Hans und Maria Winter übereinstimmend.
Tagespflege nutzen
Vor allem die Tagespflege brachte Maria Winter eine große Erleichterung. „Wir bewirtschaften einen Ackerbaubetrieb. Zusätzlich bin ich in Teilzeit berufstätig. Durch die Tagespflege konnte ich meine Arbeitsstelle behalten.“ Dreimal die Woche besuchte die Schwiegermutter die Einrichtung. Später nutzte auch Josef Winter das Angebot. „Dort waren meine Eltern unter Menschen, was sie sehr genossen haben. Gemeinsam wurde zum Beispiel gesungen und gekocht. Mein Vater arbeitete in der Werkstatt mit. Für ihn waren schon die täglichen Fahrten durch seinen Heimatlandkreis eine schöne Abwechslung“, erzählt Hans Winter.
Burn-Out vorbeugen
Trotz der Hilfe durch Fachkräfte blieb es nicht aus, dass Maria Winter sich täglich mehrfach um die Schwiegermutter, später auch um den Schwiegervater kümmern musste. Mit der Demenz kam auch die Inkontinenz. „Die Schwiegermutter hatte außerdem Verdauungsprobleme, nachts war sie schlaflos im Haus unterwegs.“ Einiges konnte der Schwiegervater abfangen, doch auch er war zu dem Zeitpunkt schon 93 Jahre alt. Seine körperlichen Kräfte ließen zusehends nach. Umso wichtiger war es, dass Maria Winter sich bewusst Auszeiten schaffte. „Ich war jedes Jahr für einige Tage zum Gesundheitsurlaub in Bad Füssing“, erzählt sie zum Beispiel. Doch trotz der positiven Einstellung zu der großen Aufgabe, trotz der Unterstützung durch die Familie, trotz der Freiräume, die sie sich geschaffen hatte und trotz der guten Organisation des Pflegealltags zehrten die Jahre an ihrer körperlichen, vor allem aber auch an der seelischen Gesundheit. Die hohe Belastung forderte ihren Preis. „Irgendwann geht der Zeitbegriff völlig verloren, die Jahre vergehen, aber die Verpflichtung und die Verantwortung bleiben. Es gab Zeiten, da hätte ich wegen jeder Kleinigkeit weinen können. Ich konnte nur schlecht schlafen, auch weil die Schwiegermutter nachts so viel unterwegs war und ich habe schon wegen Kleinigkeiten schnell überreagiert“, erinnert sie sich. Dazu kam, dass Rosa Winter gerade in der letzten Zeit keinen Augenblick mehr alleine bleiben konnte. „Selbst, wenn mein Schwiegervater nur kurz aus dem Raum ging, wurde sie schon vollkommen unruhig.“
Familie gibt Rückhalt
Trost und Auftrieb gaben Maria Winter die große Dankbarkeit und die tiefe Verbundenheit mit den Schwiegereltern und der starke Rückhalt in der Familie.
Inzwischen sind Rosa und Josef Winter verstorben. Die Jahre der Pflege waren eine enorme Herausforderung für die ganze Familie. Trotz der großen Last war es für Maria Winter, Ehemann Hans Winter und den eigenen Töchtern immer selbstverständlich, Oma und Opa in deren eigenen vier Wänden so lange zu versorgen, wie es nur ging. Unterstützung bekamen sie auch von den Geschwistern, die weiter entfernt wohnten. „Wir sind alle enger zusammen-gewachsen in der Zeit. Es tat mir gut, zu spüren, dass ich von meinen Schwiegereltern geliebt und akzeptiert wurde, wie ihr eigenes Kind. Anders hätte ich diese Aufgabe nicht schaffen können. Mein Schwiegervater betonte oft, dass er sich keine bessere Schwiegertochter hätte wünschen können. Und selbst als meine Schwiegermutter schon sehr dement war, spürte ich immer noch diese große Zuneigung, die sie mir entgegengebracht hat“, endet Maria Winter.
Informationen zu Leistungen der SVLFG für pflegende Angehörige gibt es unter www.svlfg.de/leistungen-fuer-pflegende-angehoerige.
Telefonische Auskünfte zu den Leistungen der Landwirtschaftlichen Pflegekasse bekommen Sie unter 0561 785-2033.
Für Pflegende und ihre pflegebedürftigen Angehörigen
Informationen und Gesundheitsangebote der SVLFG
Wird ein Antrag auf Feststellung der Pflegebedürftigkeit gestellt, kommt ein Gutachter des medizinischen Dienstes (MD) ins Haus. Zur Vorbereitung auf das Gespräch empfehlen die SVLFG-Pflegeberaterinnen und –Pflegeberater, ein Pflegetagebuch zu führen, in dem alle Aufgaben des Pflegenden und die Einschränkungen des Hilfebedürftigen notiert werden können. Es sollte dem Gutachter unaufgefordert vorgelegt werden. Ein weiterer Hinweis: Überlegen Sie im Vorfeld, was dem Pflegebedürftigen im Alltag Schwierigkeiten bereitet und wo er Hilfe benötigt. Der Gutachter wird auch fragen, was der Pflegebedürftige selbst noch machen kann. Beim Gespräch sollten die pflegenden Angehörigen anwesend sein. Die betroffenen Personen sind durch die Situation oft verunsichert und schämen sich, ihren Pflegebedarf zuzugeben. Redegewandte Pflegebedürftige überspielen häufig gekonnt geistige und körperliche Defizite. Der Pflegende kann dann das Gespräch rechtzeitig beeinflussen. Gezielte Rückfragen zu Aussagen des kranken Angehörigen zeigen zum Beispiel meistens schnell, welche Einschränkungen er hat. Der Pflegebedürftige sollte bei der Begutachtung zeigen, ob er sich zum Beispiel noch kämmen oder seine Zähne putzen kann. So wird der echte Pflegebedarf erkennbar. Ärztliche Atteste und Klinikentlassungsberichte, soweit vorhanden, der Medikamentenplan und gegebenenfalls der Pflegeplan des Pflegedienstes sollten mit ins Gespräch genommen werden. Der Eindruck, den der Gutachter aus dem Gespräch gewinnt und die Unterlagen, die er bekommt, helfen ihm, den passenden Pflegegrad festzulegen. Der Experte wird auch das Wohnumfeld in Augenschein nehmen. Der Gutachter kann Empfehlungen zu Umbaumaßnahmen und Hilfsmittel, wie zum Beispiel Pflegebetten, aussprechen. Mitunter empfiehlt er auch Rehabilitationsmaßnahmen oder Präventionskurse, um die Gesundheit des zu pflegenden Angehörigen zu verbessern oder zu stabilisieren.
Die SVLFG bietet pflegenden Angehörigen eine Trainings- und Erholungswoche an. Ziel dieser Seminare ist es, die körperliche und seelische Gesundheit pflegender Angehörigen zu erhalten. Schwerpunkt des Angebotes ist ein Pflegekurs. In Einzel- und Gruppengesprächen informieren Fachberater zu Fragen bezüglich Pflegesituation und Pflegeleistungen. Die Teil-nehmerinnen und Teilnehmer bekommen Anregungen, die ihren Pflegealltag erleichtern. Außerdem lernen sie, sich in ihrer wenigen Freizeit durch gezielte Bewegungs- und Entspannungsübungen zu regenerieren, damit sie weiterhin ihrer anstrengenden Aufgabe gewachsen sind. Neben dem Kursprogramm bleibt Zeit, eigene Bedürfnisse zu erfüllen, zu entspannen und Erholung jenseits des Pflegealltags zu finden.
Die Kurse dauern jeweils acht Tage und richten sich an Angehörige, die eine pflegebedürftige Person pflegen, die Anspruch auf Leistungen der Landwirtschaftlichen Pflegekasse hat. Ebenfalls teilnehmen können pflegende Angehörige, die selbst bei der LKK versichert sind.
Informationen zur Trainings- und Erholungswoche für pflegende Angehörige gibt es unter www.svlfg.de/trainings-erholungswoche
Zu dieser Trainings- und Erholungswoche für pflegende Angehörige können pflegende Menschen ihre pflegebedürftigen Angehörigen mitnehmen. Je nach Bedarf wohnen beide in einem gemeinsamen Zimmer oder getrennt. Während dieser sieben Tage erhalten die Pflegenden Anleitung, Beratung und Tipps für ihren häuslichen Pflegealltag. In kleinen Seminargruppen werden sie durch Fachleute in allen Aspekten der Pflege geschult und lernen, wie sie ihre Angehörigen pflegen können, ohne sich dabei selbst zu überlasten. Darüber hinaus bleibt Zeit für Erholung und Entspannung, sowie für den Erfahrungsaustausch mit anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Das Angebot wurde 2019 mit dem Bayerischen Präventionspreis ausgezeichnet. Teilnehmen dürfen Pflegende aus dem gesamten Bundesgebiet, die eine Person pflegen, die Anspruch auf Leistungen der Landwirtschaftlichen Pflegekasse hat. Für Unterkunft und Vollpension ist für den pflegenden Angehörigen eine Eigenbeteiligung von 99 Euro zu zahlen. Die Kosten für den Pflegebedürftigen sind individuell abhängig von Unterbringung und Pflegegrad. Vorab klärt ein persönliches Gespräch mit einem SVLFG-Pflegeberater, ob im konkreten Fall eine Teilnahme am Pflege-Tandem möglich und sinnvoll ist oder ob ein anderes Gesundheitsangebot besser passt. Der nächste Kurs findet vom 10. bis 17. September 2023 in Bad Bocklet statt.
Informationen sowie die Möglichkeit, sich zum Kurs anzumelden gibt es online unter www.svlfg.de/pflege-tandem oder telefonisch unter 0561 785-10512.
Die SVLFG bietet alle zwei Monate einen digitalen Pflegestammtisch an. Teilnehmen kann jeder bequem von zuhause aus. Voraussetzung für die Teilnahme ist ein Smartphone oder ein Laptop, am besten mit Headset. Neben wechselnden Fachvorträgen, steht vor allem auch der Austausch untereinander im Vordergrund. Für Fragen und Probleme im Pflegealltag oder zu Leistungen der Pflegekasse steht ein Pflegeberater der SVLFG zur Seite.
Der nächste Pflegestammtisch findet am 31. August von 12.15 bis 15.30 Uhr statt. Zu Gast ist der Bayerische Staatsminister für Gesundheit und Pflege Klaus Holetschek.
Rund um die Uhr erreichbar
Wem die Pflegesituation über den Kopf wächst, der braucht schnell eine kompetente Ansprechpartnerin oder einen Ansprechpartner. Die SVLFG-Pflegeberaterinnen und -Pflegeberater helfen in allen Sachfragen rund um den Pflegealltag. Bei seelischen Problemen bietet die SVLFG zudem eine telefonische Krisenhotline. Unter der 0561 785 -10101 stehen den Anrufenden erfahrene Psychologinnen und Psychologen zur Verfügung. Sie helfen, die Situation richtig einzuordnen und zu bewältigen. Die Anrufenden bleiben anonym, die Krisenhotline ist täglich 24 Stunden besetzt – auch an den Wochenenden.