Mutterschutz und Gefahrstoffe
Gefahrstoffe können beim erwachsenen Menschen schwere gesundheitliche Schäden verursachen, wenn sie in den Körper gelangen. Insbesondere Stoffe, die als Aerosol oder Gas vorliegen und solche, die über die Haut aufgenommen werden können, stellen ein hohes Gesundheitsrisiko dar. Kinder, geboren und ungeboren, sind gegenüber dieser gesundheitsschädlichen Wirkung nochmals deutlich anfälliger als Erwachsene, aufgrund der Entwicklungsprozesse im Körper.
Daher beinhaltet das Mutterschutzgesetz auch Regelungen, wenn schwangere oder stillende Frauen im Rahmen ihrer Arbeit mit Gefahrstoffen umgehen müssen.
Wichtig - die Gefahr erkennen!
Gefährdungsbeurteilung ist wichtig
Generell sollen nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) Arbeitsbedingungen so gestaltet werden, dass Gefährdungen für schwangere oder stillende Frauen oder deren Kinder möglichst vermieden werden und eine unverantwortliche Gefährdung ausgeschlossen wird. Das geeignetste Mittel, um diese Gefährdungen zu erkennen und zu beseitigen, ist der Prozess der Gefährdungsbeurteilung.
Zu beachten sind hier Gefahrstoffe, die als solche gekennzeichnet sind, aber auch diejenigen die während des Arbeitsprozesses entstehen (z.B. Güllegase, Dieselmotoremissionen) oder am Arbeitsplatz unter Umständen bereits vorhanden sind. Betriebe, die eine Gefährdungsbeurteilung bereits gewissenhaft durchführen, werden sich leicht tun potenzielle Gefahren zu erkennen, wenn eine ihrer Mitarbeiterinnen schwanger werden sollte.
Die im Gesetz erwähnten unverantwortlichen Gefahren werden durch § 11 MuSchG klar definiert, unter anderem auch für Gefahrstoffe. Demnach dürfen schwangere Frauen nicht mit Stoffen/Gemischen arbeiten oder ihnen ausgesetzt sein, wenn der Stoff/das Gemisch eine der folgenden Einstufungen hat:
- reproduktionstoxisch Kategorie 1A, 1B oder 2 oder nach der Zusatzkategorie für Wirkungen auf oder über die Laktation
- keimzellmutagen Kategorie 1A oder 1B
- karzinogen Kategorie 1A oder 1B
- spezifisch zielorgantoxisch nach einmaliger Exposition Kategorie 1
- akut toxisch Kategorie 1, 2 oder 3
Die Stoff/Gemisch spezifischen Einstufungen lassen sich im jeweiligen Sicherheitsdatenblatt unter Abschnitt 2 finden. Die Sicherheitsdatenblätter müssen durch den Hersteller/Lieferanten in Papierform oder digital zur Verfügung gestellt werden.
Neben Stoffen/Gemischen mit den genannten Einstufungen dürfen Schwangere auch nicht mit Blei oder Bleiderivaten arbeiten, soweit die Gefahr besteht, dass diese Stoffe vom menschlichen Körper aufgenommen werden können.
Aufnahme in den Körper erfolgt über unterschiedliche Wege
Neben der Einstufung muss besonders darauf geachtet werden, wie die verwendeten Gefahrstoffe in den Körper gelangen können. Stoffe/Gemische, die als Gas vorliegen oder die einen niedrigen Siedepunkt (und hohen Dampfdruck) haben, können leicht über die Atemwege aufgenommen werden. Ebenso können Stoffe, die im Arbeitsprozess versprüht oder vernebelt werden und somit als Aerosol vorliegen, über die Atemwege in den Blutkreislauf gelangen. Auf demselben Weg können feine Stäube vom Körper aufgenommen werden. Manche Stoffe/Gemische wie z.B. Benzin diffundieren auch direkt durch die Haut in die darunterliegenden Zellen und Blutgefäße. Gefahrstoffe, die ins Blut gelangt sind, können über den Kreislauf an das ungeborene Kind weitergegeben werden oder in die Muttermilch gelangen.
Technische Regel 900 beachten!
Zusätzlich zu den Sicherheitsdatenblättern muss die TRGS 900 (Technische Regel für Gefahrstoffe) beachtet werden. Die TRGS 900 enthält eine Auflistung aller Stoffe, die in Deutschland einen Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) haben. In der Liste befinden sich auch einige Stoffe, die trotz Einhaltung des AGWs fruchtschädigend wirken können. Diese Stoffe sind der Liste mit dem Kennbuchstaben Z versehen und dürfen nicht am Arbeitsplatz und in der Arbeitsumgebung von schwangeren Frauen vorkommen.
In der TRGS 900 sind auch einige Stoffe mit dem Kennbuchstaben Y versehen. Bei den so gekennzeichneten Stoffen muss eine Fruchtschädigung nicht befürchtet werden, wenn die Arbeitsplatzgrenzwerte eingehalten werden. Somit dürfen schwangere Freuen auch dann mit diesen Stoffen arbeiten, wenn diese eine der oben genannten Einstufungen haben, solange sichergestellt ist, dass die AGWs nicht überschritten werden. Dies setzt eine exakte Bestimmung der tatsächlichen Exposition mit diesen Stoffen durch die Arbeitgebenden voraus.
Für stillende Frauen bestehen separate Regelungen bezüglich der unverantwortlichen Gefahren geben durch § 12 MuSchG. Stillende Frauen dürfen mit fast allen Stoffen arbeiten, welche die oben genannten Einstufungen haben, mit Ausnahme von Stoffen, die als reproduktionstoxisch nach der Zusatzkategorie für Wirkungen auf oder über die Laktation bewertet sind. Auch der Kontakt zu Blei und Bleiderivaten, soweit die Gefahr besteht, dass sie vom Körper aufgenommen werden können, muss für stillende Frauen ausgeschlossen werden.
Über die genannten Stoffe hinaus sollten verantwortungsbewusste Unternehmerinnen und Unternehmer auch solche Chemikalien beachten, die das Hormonsystem (endokrine System) stören können, sog. endokrine Disruptoren. Die Wirkung von endokrinen Disruptoren ist noch nicht eindeutig belegt, deshalb gibt es für diese auch noch keine gesetzlichen Regelungen. Aber endokrine Disruptoren werden mit hormonabhängigen Tumorerkrankungen (Brust-, Eierstock-, Prostata- und Hodenkrebs) und Fortpflanzungsstörungen in Verbindung gebracht. Des Weiteren wird vermutet, dass sie bei der Entstehung von Schilddrüsenerkrankungen, Diabetes, metabolischem Syndrom, kardiovaskulären, neurologischen, neurodegenerativen und psychischen Erkrankungen eine Rolle spielen könne.
Der Mensch ist in der embryonalen, fötalen und pubertären Entwicklungsphase besonders anfällig für Störungen des Hormonsystems. Deshalb sollte gerade bei schwangeren Frauen die Arbeitsumgebung möglichst frei von Endokrine Disruptoren sein. Diese können von schwangeren Frauen über die Plazenta in das ungeborene Kind gelangen oder ein Säugling kann diese Stoffe über die Muttermilch aufnehmen.
In der Grünen Branche können Stoffe mit endokrinschädlichen Eigenschaften z.B. in Pflanzenschutzmittel oder in Tierarzneimitteln vorkommen. Nach derzeitiger Rechtslage muss im Sicherheitsdatenblatt unter Abschnitt 2.3 angeben werden, ob und in welchem Umfang ein Stoff/Gemisch endokrinschädlich wirkt. Diese Informationen können für die Gefährdungsbeurteilung herangezogen werden. Die EU-Kommission plant eine eigene Kennzeichnung für endokrine Disruptoren in den nächsten Jahren einzuführen, diese müsste dann auch auf der Verpackung angebracht werden.